Predigt zum Privilegienfest 2024 (1000 Jahre Krönung Konrad II.)

„Mögest Du uns allzeit eine huldreiche Helferin sein.“

Machtanspruch und Marienfrömmigkeit bei den Saliern.

Auf dem Widmungs-Doppelblatt im Codex Aureus ist die salische Dynastie dargestellt, wie sie sich bis dahin gebildet hatte: Auf dem linken Bild die erste Generation mit Kaiser Konrad II. mit seiner Gemahlin Gisela, auf der rechten Seite die zweite Generation mit Heinrich III. und seiner Gemahlin Agnes.

Konrad II. und Gisela knien zu Füßen der Majestas Domini, vor dem Bildnis Christi, das von der Sphäre göttlicher Heiligkeit umgeben ist. In der Inschrift heißt es: „Vor deinem Angesicht weine ich sehr über meine Sünden. Gib, dass ich Verzeihung verdiene, du, durch dessen Gunst ich Kaiser bin.“ Der Prachtkodex beginnt mit den Tränen des Kaisers. Konrad sucht die Gnade Gottes zu erflehen.

Auf dem rechten Bild thront die hl. Maria als Himmelskönigin vor dem Speyerer Dom, der ihr geweiht ist. Maria legt segnend der Kaiserin Agnes die Hand auf. Heinrich III. beugt sich vor sie, überreicht ihr das goldene Evangelienbuch und bittet um ihren Segen.

Im umlaufenden Rahmenband spricht der König: „Oh Königin des Himmels, weise mich König nicht zurück. Durch die Überreichung dieser Gabe, vertraue ich mich, den Vater mit der Mutter und insbesondere die, mit der ich in Liebe zum Nachkommen verbunden bin, dir an. Mögest du allzeit eine huldreiche Helferin sein.“

Maria, die Mutter des himmlischen Königs, ist auch die Schutzmutter des salischen Königs, ja sie ist Schutzherrin der ganzen Dynastie. Der Fortbestand des Königsgeschlechts hing nach Auffassung der Salier ebenso von der Fürsprache Mariens ab wie die Erhebung zum Kaisertum oder das persönliche Wohlergehen.

Daher war für die Salier das Marienpatrozinium, die Verehrung der Gottesmutter, von ganz entscheidender Bedeutung. Maria ist die transzendente Mutter. Ein sehr wichtiger Ausdruck davon ist unser Speyerer Dom als Hausgrablege der salischen Kaiser, der ja der Gottesmutter Maria geweiht ist.

Heinrich III. nahm selbst im Jahre 1046 den Empfang der Kaiserkrone zum Anlass, um dem Altar der Gottesmutter in Speyer eine reiche Schenkung zu machen.

Schon Konrad II., Heinrichs Vater, war an einem Marienfeiertag, dem 8. September (Mariä Geburt) gekrönt worden. Prof. Weinfurter hat darauf hingewiesen, dass im Festoffizium dieses Tages in der Lesung die Geschlechterfolge im Blick auf die Abstammung Jesu von Abraham bis Maria und Josef vom Beginn des Matthäusevangeliums vorgelesen wird. Die Salier stellten sich so bewusst in diese Abfolge:

So verbinden sich Machtanspruch und Frömmigkeit in der mittelalterlichen Vorstellung von Macht und Herrschertum.

Das ist heute sicher anders, wo sich zumindest in unserem Kulturkreis Politik und Religion geschieden haben. Es geht mir auch gar nicht darum, zu werten, oder gar einen nostalgischen Blick in frühere Zeiten zu werfen.

Was ich bei dieser Betrachtung aber immer wieder faszinierend finde, ist der Aspekt der Rückbindung von Macht und Ausübung der Herrschaft an eine mir übergeordnete Instanz.

Sicher, der Friedensauftrag schon der mittelalterlichen Herrscher wurde auch mit Gewalt durchgesetzt. Recht und Gerechtigkeit waren aber zentrale Aufgaben des Herrschers.

Ist nicht das Bewusstsein, die eigene Herrschaft nur verliehen bekommen zu haben („per me reges regnant“) nicht eine starke Aussage über die Endlichkeit von Macht und Größe? Eine solche Selbsteinschätzung, verbunden mit der Frage nach der Demut, weiß um die Grenzen eigener Macht und um die Verantwortlichkeit vor einer letzten Instanz.

In einer Zeit, in der Machthaber, mögen sie auch „gewählt“ sein, sich einfach nehmen, was ihnen ihrer Meinung nach zu gehören scheint – zur Not mit Gewalt, scheint mir das ein wertvoller Gedanke zu sein.

Für die Salier war völlig klar, dass diese Macht nur geliehen und auf Zeit verliehen war. Für den jeweiligen Herrscher gab es Verantwortung gegenüber einem höheren Herrscher, Gott. Ein Monarch, der meinte, niemandem verantwortlich zu sein, der tun und lassen konnte, was er wollte, wie es sich bei manchem absolutistischen Fürsten dann gezeigt hat, verletzt eines der Grundgesetze im christlichem Verständnis von Verantwortung. Dies übrigens unabhängig vom jeweiligen politischen System, es gilt für die Demokratie ebenso wie für eine Monarchie.

Und männliche Macht und Herrschaftsausübung erfuhren eine erste Brechung durch den Aufstieg der Marienverehrung im Mittelalter. Daher möchte ich diese Gedanken zum mit den Anrufungen an Maria abschließen, die wir beim hl. Bernhard von Clairvaux in einer seiner schönsten Marienpredigten finden – und diese Zeilen sind wie ein Kommentar zur herrscherlichen Frömmigkeit, auch wenn die Predigt von der Verkündigung des Engels an Maria ausgeht:

„Mitten in Gefahren, Nöten und Unsicherheiten, denke an Maria, rufe Maria an. Ihr Name weiche nicht aus deinem Mund, weiche nicht aus deinem Herzen! Damit du aber ihre Hilfe und Fürbitte erlangest, vergiss nicht, ihr Vorbild nachzuahmen. Folge ihr, dann wirst du dich nicht verirren. Rufe sie an, dann kannst du nicht verzweifeln, denk an sie, dann irrst du nicht. Hält sie dich fest, kannst du nicht fallen. Schützt sie dich, dann fürchte nichts! Führt sie dich, wirst du nicht müde. Ist sie dir gnädig, dann kommst du sicher ans Ziel!“

Sicher beteten auch die Salier mit den Worten des alten Marien-Hymnus Ave maris stella („Meerstern, ich Dich grüße“):

Gib ein lautres Leben,
sicher uns geleite,
dass wir einst in Freuden
Jesus mit dir schauen. Amen.