Predigt zum Privilegienfest 2025
Gedenken und Verantwortung.
Zum heutigen Sinn des Privilegienfestes
Liebe Mitglieder und Freunde der Saliergesellschaft, liebe Schwestern und Brüder,
angesichts der heutigen „Saliermesse“, der jährlich wiederkehrenden Feier des Privilegienfestes könnte manchem die Frage kommen:
Was soll das eigentlich?
Warum feiern wir solche Anlässe wie das Gedenken an die salischen Herrscher, die schon lange tot sind? Warum ein „Privilegienfest“, wo es die doch gar nicht mehr gibt, Stadt, Staat und Gesellschaft längst andere Formen angenommen haben.
Ich möchte heute zu Tradition und Verantwortung etwas sagen: Woher kommen wir? Und was sagt das aus über unser heutiges Tun, unsere Pflichten, unsere Aufgaben?
Zum einen: Das Gedenken. Rein menschlich, aber auch im religiösen Kontext ist es sinnvoll, Gebet und Gedenken für die Menschen früherer Zeiten zu halten. Wir vergewissern uns ihres Lebens, ihrer Taten, überlieferter Bräuche und Institutionen. Sie haben den Glauben gelebt und bis zu uns weitergetragen. (Religiös kann sicher jeder von uns für sein eigenes Leben Menschen benennen, die wichtig waren für den eigenen Glauben.)
In unserem Frömmigkeitsleben und der Liturgie der Kirche ist das fest verankert: Wir halten das Gebet und die Feier der Eucharistie für die Toten, die vor uns lebten, geglaubt haben. Im Fall der Salier ganz konkret auch die Aufgabe des Domkapitels und aller hier am Dom, denn ohne die Salier hätten wir diesen Dom nicht. Das ist schon eine erste wichtige Verpflichtung. Gut, daß es hier viele Mitwirkende, auch die Saliergesellschaft gibt, die das Gedenken und das Erbe wachhalten wollen. In diesem Jahr kommt für uns am Speyrer Dom dazu, daß sich der Todestag Kaiser Heinrichs V. zum 900. Mal jährt.
Ohne die vor uns wären wir nicht die, die wir sind. Manchmal auch in Abgrenzung, im Lernen, im Vermeiden von Fehlern. Trotzdem: Wir stehen in Nachfolge, in mehrfacher Hinsicht.
Die Privilegien für die Stadt waren verbunden mit der Auflage, an die Armen zu denken. Ein bleibender Auftrag erwächst daraus. Wie sind frühere Generationen damit umgegangen, wie haben sie gedacht und agiert? Ein gutes Beispiel ist die Sozialfürsorge. In seinem Buch „Alltagsleben im Mittelalter“ beschreibt der Autor Otto Borst, daß bereits die Zünfte des ausgehenden Mittelalters an soziale Absicherung dachten:
„Die Schiffer, Flößer und Schiffbauer im Speyer des 15. Jahrhunderts hatten sich zur Unterstützung der im Winter arbeitslosen Gesellen eine eigene Lade eingerichtet. Im Sommer mußten Meister wie Gesellen hierzu regelmäßig Beiträge, das „Nikolausgeld“ (!) zahlen. Aus den angesammelten Mitteln wurde im Winter arbeitslosen Gesellen ein Darlehen gegeben.“
Weiter heißt es in diesem Kapitel:
„Auch eine Art von Gesundheitsvorsorge gehörte zum zünftigen Kodex. Persönliche Sauberkeit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Gesundheit; darauf achteten die Meister bei ihren Gesellen und Lehrlingen. In vielen Zünften wurde den Gesellen neben dem wöchentlichen Lohn ein Badegeld gewährt… Einzelne Gewerke waren so sehr auf Sauberkeit ihrer Gesellen bedacht, daß sie auf das Fernbleiben vom Bade eine Strafe von einem Wochenlohn aussetzten.“
So wenig wie unser Gedenken ist dieses Zitat reine Historie. Mögen sich Gesellschaft, Arbeitsumstände, Dienstleistungen und Absicherungen geändert haben, unverändert bleiben auch in unserer Zeit die Anforderungen wie gerechter Lohn, Absicherung im Alter und Krankheit, Sozialfürsorge, Blick für die Armen, gerechte Arbeitsbedingungen und vieles mehr.
Ein Anlaß wie das Privilegienfest kann uns dazu helfen, darüber nachzudenken, welche Anforderungen an uns gestellt werden, wie wir sie bestehen und regeln können, heute. Im Miteinander von Familie und Beruf, in einem Verein oder einer Stadt, in einer Gesellschaft. Die Feier des Privilegienfestes erinnert in uns in diesem Sinn an unsere aktuelle Bürgerverantwortung, an die Verantwortung des Einzelnen für das Gemeinwesen, für Stadt, Staat, und auch die Kirche.
In unserer aktuellen Situation werden solche Fragen, mit denen sich schon unsere Vorfahren beschäftigt haben, neu wichtig: Wie wird eine Gesellschaft zusammengehalten, wie wird der soziale Friede in einem Land gesichert, wie kommen wir zu einem gerechten Miteinander?
Und in einem nochmals größeren Kontext kann man weiter fragen: In einer Zeit wie der unseren, wo vieles zersplittert, auseinanderläuft, wo Menschen und Nationen nicht aufeinander zugehen, nicht die Hand reichen, sondern die Faust ballen, wo viele nur auf die eigenen Interessen schauen, wo haben das Gerechtigkeit und Recht eine Chance?
Für Heinrich V. war klar, daß Privilegien immer auch verbunden sein müssen mit Verantwortung für die, die nicht privilegiert sind.
Für die Salier stand darüber hinaus fest, daß der Glaube an Gott und eine Sicht der Welt, die Mensch und Gott recht verorteten, auf jeden Fall zu diesem sozialen Frieden und funktionierenden Miteinander beitragen würden. Recht und Gesetz fußen auch auf Voraussetzungen, die nicht menschlichen, gemachten Ursprungs sind. Die Mütter und Vater unseres Grundgesetzes wußten das noch. Dies gilt es heute neu ins Bewußtsein zu rufen.
Ich danke allen, die sich in der Saliergesellschaft, hier am Dom, in unserer Stadt und darüber für diese wichtigen Ziele einsetzen. Seien wir uns unserer Verantwortung vor Gott und den Menschen bewußt, schöpfen wir Kraft aus unserem Glauben und geben wir so weiter, was uns an Wertvollem übergeben worden ist. Amen.